MOTORSPORT AKTUELL, 13.09.1989

Prost: "Fürchte mich vor Manipulationen..."


Helmut Zwickl sprach mit dem künftigen Ferrari-Piloten

Hast du - wie so viele Rennfahrer - immer schon davon geträumt, einmal in deinem Leben für Ferrari Formel 1 zu fahren?
Ich habe mir wirklich immer gesagt, du musst wenigstens einmal für Ferrari fahren. Andererseits sagte ich mir, du darfst niemals zu Ferrari gehen, bloss wegen des Namens, wegen des Images. Du gehst dann, wenn Ferrari konkurrenzfähig ist, also war es jetzt die richtige Zeit dafür. Aber abgesehen von diesen Überlegungen, bedeutet dieser Schritt für mich eine grosse Freude, wenn alles gut läuft und wir zusammen was leisten. Es wird nach zehn Jahren Formel 1 immer schwieriger, noch eine Motivation zu finden, so war es fast eine Verpflichtung, dorthin zu gehen.

Wieso hast du Ferrari dem Williams-Rennstall und Renault vorgezogen?
Williams und Renault sind McLaren sehr ähnlich, und ich brauchte etwas komplett Neues... Nein, es ist nicht die Atmosphäre, es ist die Umwelt, der Arbeitsstil, der Glamour, der Mythos; Ferrari ist eben anders, und es ging mir nicht um ein weiteres Formel-1-Jahr, sondern um eine völlig neue Sache.

Bis du dir auch im Klaren, dass dieser Wechsel für dich verhängnisvolle Folgen haben könnte, es wäre doch denkbar, dass McLaren und Honda jetzt keinen Weltmeister mehr wollen, der dann zu Ferrari überläuft. Man kann dir in den letzten Rennen den Titel durch technische Manipulationen vermasseln, wie man es seinerzeit bei Nigel Mansell im Kampf gegen Nelson Piquet vermutet hat.
Ja, davor fürchte ich mich sehr. Aber dagegen kann ich nichts machen. Ausser aufhören. Wenn ich sehe, dass es sehr schlecht wird, dann höre ich sofort auf. Wer weiss, was passiert...

Wo hast du heuer ab Mitte der Saison neue Motivation gefunden?.
Die Motivation war immer da, was mir missfiel, war die ganze Umwelt. Ich war nicht mehr glücklich, das hat nichts mit Motivation zu tun, wenn du die Freude verlierst. Schon am Morgen siehst du immer die gleichen Leute, die gleichen Gesichter seit sechs Jahren, immer beim Frühstück um 8 Uhr, immer die gleiche Atmosphäre, und dann haben wir die bekannten Probleme, dann wird alles noch schlechter. Ich habe viel nachgedacht, und Ferrari war der einzige Ausweg.

Hast du ernstlich daran gedacht, ein Jahr lang zu pausieren?
Ich habe darüber nachgedacht. Wenn ich 25 oder 27 Jahre alt wäre, könnte ich mir leisten, ein Jahr zu pausieren und für weitere fünf Jahre zurückzukommen.

Welche wichtige Rolle spielte beim Sesseltausch mit Gerhard Berger eigentlich Marlboro?
Keine sehr grosse, denn Marlboro wäre mit mir auch zu Williams gegangen...

Hast du in deinem Ferrari-Vertrag eine Klausel, dass Ferrari-Cheftechniker John Barnard bleiben muss?
Jetzt muss ich vorsichtig sein, was ich sage. Ich habe einige Punkte in meinem Vertrag, aber ich will darüber nicht sprechen...

Aber man darf doch annehmen, dass dir am Weiterverbleib des John Barnard - mit dem du früher bei McLaren gearbeitet hast - sehr viel liegt?
Ich möchte natürlich, dass er bleibt...

Ferrari bedeutet "Politik"; glaubst du, dass sich diesbezüglich dort was ändern wird?
Ich glaube schon, dass es besser wird, aber Politik ist ein Teil von Ferrari, es geht nur darum, dass diese Politik nicht in die technische Seite eingreift. Man muss diese zwei Dinge trennen.

Wann gab's die ersten Kontakte mit Ferrari?
Dieses Jahr nach dem französischen Grand Prix. Aber all die Jahre gab's die üblichen Gespräche, was ich mache, und so weiter. Die ersten Kontakte wurden zwischen Fiorio und Marlboro geknüpft und den Leuten von Fiat.

Wann hast du Ron Dennis mitgeteilt, dass du zu Ferrari übersiedelst?
Am Morgen des Mittwochs letzter Woche, bevor ich wirklich unterschrieben habe. Aber er war voll informiert, ich habe ihm alles erzählt, er war stets auf dem laufenden...

Und wie reagierte Mansour Ojjeh?
Ich habe ihn jetzt nicht erreicht, denn er war nicht in Paris, aber ich weiss, er ist traurig.

Und Ron?
Er ist auch traurig.

Glaubst du wirklich, dass Ferrari nächstes Jahr McLaren besiegen kann?
Das hängt ein bisschen von McLaren, aber noch mehr von Ferrari ab. Im Augenblick weiss ich nicht mehr, aber ich bin optimistisch. Aber die Chance besteht.

Glaubst du, dass man Honda eines Tages schlagen kann?
Ja, ich glaube es, Ferrari hat die Ressourcen.

Ob Ferrari einen Ron Dennis bräuchte?
Man soll Ferrari und McLaren nicht vergleichen, das geht nicht. Ferrari ist mit nichts zu vergleichen, man kann Ferrari nicht wie McLaren organisieren, das wäre dumm. Man muss einfach alle Vor- und Nachteile akzeptieren.



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