SPORT AUTO, 01.11.1991

ALAIN PROST: Prost Scriptum (8)


Die Formel 1 produziert ständig Schlagzeilen. Alain Prost blickt für sport auto hinter die Kulissen, kommentiert, kritisiert und denkt über sein Metier nach. Der Franzose sagt in sport auto, was Sache ist. Er meint...

... zu seiner Krankheit nach dem Motorbrand von Estoril:
Seit dem Motorbrand im Warm-up von Estoril fühle ich mich nicht wohl. In Portugal und Spanien war es besonders schlimm. Danach habe ich mich wieder etwas erholt, verspüre aber immer noch Übelkeit, wenn ich mich lange in der Boxengarage aufhalte. Wahrscheinlich sind die Benzindämpfe schuld. Ich habe deswegen mein Blut untersuchen lassen. Die Ärzte haben zum Glück nichts gefunden.

... über die Reifenwahl am Start des GP Spanien:
Die endgültige Reifenwahl für das Rennen liegt immer bei mir. In Barcelona war abzusehen, daß die Strecke nach dem Start schnell abtrocknen würde. Ich habe deshalb lange darüber nachgedacht, bereits mit Slicks zu starten. In einem anderen Team als Ferrari hätte ich es wahrscheinlich auch gemacht. Aber in meiner speziellen Situation bei Ferrari war das Risiko zu groß. Wenn der Trick nicht funktioniert hätte, wäre die Presse auf uns losgegangen.

... über das Problem mit den Stoßdämpfern:
Das ganze Jahr klagen Jean Alesi und ich über die Dämpfer. Man hat uns nie geglaubt, daß sie nur sehr unterschiedlich funktionieren. Meistens beginnen sie bereits bei der Hälfte des Rennens nachzulassen. Gegen Ende der Distanz arbeiten sie dann überhaupt nicht mehr. Bei einem Test in Estoril vor dem GP Japan hatten wir erstmals Meßcomputer für die Dämpfer an Bord. Sie haben schwarz auf weiß bestätigt, was wir schon die ganze Saison gesagt haben. Leider wissen wir im Augenblick nur, daß die Dämpfer nicht funktionieren, aber nicht, warum.

... zu der Zehnsekundenstrafe von Jean Alesi in Barcelona:
Es ist immer sehr schwierig, wenn Schiedsrichter von außen etwas entscheiden. Da muß man Fehler einkalkulieren. Aber wenn man schon Verhaltensregeln für die Rennstrecke aufstellt, sollten sie für alle Fahrer gleich sein. Gugelmin und Suzuki wurden dieses Jahr für Kleinigkeiten bestraft, gemessen an dem, was einige andere Fahrer aufgeführt haben. Die sind für viel schlimmere Vergehen überhaupt nicht zur Rechenschaft gezogen worden, wahrscheinlich, weil es sich um Spitzenfahrer gehandelt hat. Was Jean in Barcelona angeht, so war er ein Opfer für die Sicherheitskommission, die ankündigte, beim Start härter durchzugreifen. Es wurde uns gesagt: Wer beim Start gefährlich die Spur wechselt, muß für zehn Sekunden an die Box. Alesi hat das in Spanien gemacht, also muß man seine Strafe akzeptieren, auch wenn es schade für ihn war, weil es ihn eine gute Plazierung gekostet hat.

... zu dem verschärften Klima der Titelaspiranten Senna und Mansell:
Ich kämpfe das erste Mal seit 1987 nicht um die Weltmeisterschaft und bin nur Zuschauer im Duell Senna/Mansell. Jetzt erst erkenne ich, wie so ein Zweikampf um den Titel die ganze Atmosphäre und das Verhältnis zweier Fahrer beeinflußt. Und nicht nur die Fahrer lassen sich von dieser gereizten Stimmung einnehmen. Das betrifft auch die beteiligten Teams und die Presse. Als ich selbst in dieser Situation war, habe ich gar nicht gemerkt, wie ich mich selbst und alles um mich herum sich verändert hat. Ich bin sicher, Senna und Mansell haben sich vor dem GP Japan nicht ausgesprochen. Ihr Sprachrohr war die Presse. Da jeder Fahrer seine Freunde hat, verschärft sich das Problem. Da werden kritische Worte über den Gegner etwas schärfer formuliert, und schon ist der Streit da.

... über den Ausgang der Weltmeisterschaft:
Mir ist egal, wer Weltmeister wird. Verdient haben es beide. Von den technischen Voraussetzungen her hätten es Williams-Renault und Nigel Mansell werden müssen. Sie hatten in den entscheidenden Augenblicken ein bißchen Pech. Bei McLaren zahlt sich wieder einmal aus, daß sie wissen, wie man Weltmeisterschaften gewinnt, auch wenn man nicht das beste Auto hat. McLaren macht einfach weniger Fehler als die anderen.

... dazu, was Michael Schumacher neben seiner Grundschnelligkeit noch braucht, um ein neuer Senna oder Prost zu werden:
"Ich gebe nicht gern Ratschläge an andere Fahrer. Schumachers Situation ist mit meiner am Anfang meiner Karriere nicht zu vergleichen. Das Einstiegsalter, die Mentalität und das Team spielen eine große Rolle. Mit 22 ist Schumacher noch ziemlich jung. Er hat Zeit und sollte nicht zu viel zu früh beweisen wollen. Man kann im ersten Jahr nicht zeigen, daß man der Beste ist. Das kommt erst später, wenn man versuchen muß, ein Team zu motivieren. Schumachers größtes Problem ist wahrscheinlich seine Nationalität. Er ist der einzige Deutsche in der Formel 1 und der erste seit langem, der vorne mitfährt. Da besteht schnell die Gefahr, daß er zum Superstar hochgejubelt wird. Er sollte ruhig bleiben und sich sowenig wie möglich von den Medien beeinflussen lassen. Vielleicht hilft ihm da seine deutsche Mentalität. Die Deutschen sind weniger emotional.

... über den neuen FlSA-Präsidenten Max Mosley:
Der Ausgang der Wahl hat mich überrascht. Ich hatte unterschätzt, daß Mosley so eine starke Position hat. Ein Urteil kann man über ihn erst abgeben, wenn er ein paar Monate im Amt ist. Ich hoffe, er hört auf die Fahrer in Sicherheitsfragen. Was ich schon mal nicht verstehe, ist, wie man Jerez für nächstes Jahr wieder einen Grand Prix geben konnte. Diese Rennstrecke ist zu gefährlich und absolut nicht Formel 1-würdig.

... über den GP Japan:
Ich bin noch kein so schlechtes Rennauto gefahren. Die Lenkung war so schwergängig, daß ich in den langgezogenen Kurven mehrmals fast von der Strecke geflogen wäre. Ein Lastwagenfahrer mit starken Oberarmen hätte den gleichen Job tun können. So macht Rennfahren keinen Spaß. Ich bin froh, wenn die Saison zu Ende ist. Jede kleine Verbesserung am Motor wurde durch unsere Probleme mit dem Chassis zunichte gemacht. Das hat sich bis Suzuka 15mal wiederholt. Für mich eine Saison zum Vergessen.

... Wie wird sich ein zu befürchtendes Zigarettenverbot auf die Formel 1 auswirken?
Teams wie McLaren, dessen Etat zu 70 Prozent von Marlboro getragen wird, haben sicher ein Problem, diese Lücke zu füllen. Dort, wo das Zigarettengeld nur einen kleineren Beitrag zum Budget leistet, kann schnell Ersatz gefunden werden. Am härtesten wird es für Rennveranstaltungen und kleine Rennformeln werden, die von einem Tabakhersteller promotet sind.

... Wann wird bei Ferrari die aktive Radaufhängung eingeführt?
Ich bin nicht sehr oft mit der aktiven Aufhängung gefahren. Höchstens zweimal, würde ich sagen. Ferrari ist mit der Entwicklung dieses Systems ziemlich im Rückstand. Es gibt Probleme mit der Zuverlässigkeit und der Effektivität. Ich erwarte einen Renneinsatz des aktiven Fahrwerks nicht so bald.

... Welchen Fahrer schätzen Sie am meisten?
Bei 30 Fahrern im Feld können nicht alle Freunde sein. Weil man so mit sich selbst und der Arbeit beschäftigt ist, kennt man einige gar nicht richtig. Wie überall gibt es Leute, die man mag, und welche, die man weniger mag. Das Erfreuliche dabei ist: Ich habe wenigstens keine Feinde mehr unter meinen Kollegen. Einige Fahrer sind leider nicht sehr ehrlich und denken nur an sich, besonders wenn es um Sicherheitsfragen geht. Wenigstens in diesem Punkt sollten sich alle einig sein.



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