AUTO MOTOR UND SPORT EXTRA, 01.11.2001

"Ich rechne mit Montoya"


Interview mit Ex-Weltmeister Alain Prost über seinen Nachfolger Michael Schumacher, die wichtigsten Konkurrenten und die Unterschiede zwischen damals und heute.

Hat es geschmerzt, als Schumacher Ihren Rekord von 51 Siegen überbot?
Es war zu erwarten, deshalb hielt sich der Schmerz in Grenzen. Meine Freunde waren trauriger als ich..

Ist Schumachers Leistung mit Ihrer zu vergleichen?
Man kann nie verschiedene Generationen miteinander vergleichen. Weder Michael mit mir, noch mich mit Niki Lauda oder Jackie Stewart. Dieser Sport ändert sich zu schnell. 15 Jahre sind eine Ewigkeit. Das einzige, was man über Schumacher sagen kann: Er ist der Beste seiner Generation.

Schumacher und Ihnen fehlt der fünfte WM-Titel, um zu Juan-Manuel Fangio aufzuschließen. Reizte Sie dieses Ziel nie?
Ich war 38, als ich meinen vierten Titel gewann. Für einen weiteren Anlauf wäre ich zu alt gewesen. Michael dagegen ist noch jung. Er kann und er wird das wahrscheinlich schaffen.

Welche aller Statistiken sagt am meisten über die Qualitäten eines Fahrers aus?
Die Zahl der Siege, weil sie einen Gesamtleistung beurteilt. Für einen Sieg sind viele Faktoren ausschlaggebend.

Und die Bilanz der Trainingsduelle?
Die sagt nichts über die Qualitäten des Teamkollegen aus.

Wann haben Sie Schumachers Talent erkannt?
Es war von seinem ersten Rennen in Spa an klar, dass er zu den ganz Schnellen zählen wird. Grosse Fahrer sind immer von der ersten Minute an schnell. So richtig beobachten konnte ich ihn erst 1993 in Estoril. Ich brauchte nur noch einen zweiten Platz, um Weltmeister zu werden und habe deshalb nicht mit letzter Konsequenz versucht, ihn zu überholen. Bein Hinterherfahren wurde mir klar: Mit etwas mehr Erfahrung wird er Weltmeister.

Haben es die Rennfahrer von heute leichter?
Auf jeden Fall, und das soll die Fahrer von heute nicht abwerten. Sie können ja nichts für die Umstände. Die modernen Autos haben gute Bremsen, Servolenkung und automatische Getriebe. Die Sitze werden ergonomisch auf den Körper des Fahrers maßgeschneidert. Zu meiner Zeit wurde bei der Konstruktion des Autos keine Rücksicht auf den Fahrer genommen. Man bekam einen Sitz, und damit musste man leben. Es war teilweise sehr unbequem in den Cockpits. Deshalb war es anstrengender, diese Autos zu fahren. Ich erinnere mich, dass ich nach einem Monat Testpause fast eine Woche brauchte, um mich wieder ans Limit zu tasten. Als ich dann 1995 in Silverstone nach fast eineinhalb Jahren Abstinenz einen McLaren gefahren bin, da drehte ich ohne Probleme 80 Runden am Stück.

Waren Ihre Autos kritischer im Grenzbereich?
Ich glaube ja. Die profillosen Reifen hatten einen schmaleren Grenzbereich als die Rillenreifen. Der Grip ist ohne Vorwarnung abgerissen. Heute kündigt sich das Limit durch Rutschen an. Die Fahrer bewegen sich ständig in diesem Bereich. Was noch dazu kommt: In den letzten zehn Jahren haben sich die Autos technisch wenig verändert. Ich bin mit Wing Cars gefahren, mit flachem Unterboden, mit Turbos, mit Saugmotoren, mit aktiver Aufhängung und mechanischem Fahrwerk. Wir mussten uns jedes Mal anpassen.

Welche Formel hat Ihnen am meisten Spaß gemacht?
Ich kann Ihnen sagen, was ich überhaupt nicht mochte. Die aktiven Aufhängungen waren schlecht für den Sport. Da reichte ein guter Elektroniker aus, um das Fahrzeug gut abzustimmen. Der Fahrer spielte eine untergeordnete Rolle.

Durch die Tankstopps sind die Fahrer gezwungen, ständig Qualifikationsrunden zu drehen. Ist das nicht härter?
Wir sind früher auch am Limit gefahren. Es war halt der Grenzbereich, den uns das Auto aufgezwungen hat. Und das schwierige daran war, diesen Grenzbereich zu finden. Das Auto veränderte sich mit der abnehmenden Benzinmenge. Der Fahrer musste sich am Anfang zügeln, um nicht die Bremsen und die Reifen zu ruinieren. Das war aus Sicht des Fahrers interessanter, weil er den Unterschied ausmachte und nicht eine kluge Rennstrategie. Zu meiner Zeit war der komplette Rennfahrer gefragt. Aber auch die Zuschauer hatten mehr von den Rennen. Es gab mehr Raum für Überraschungen. Und es wurde nicht hauptsächlich in den Boxen überholt.

Was unterscheidet den Mehrfach-Weltmeister von jenen mit nur einem Titel?
Technisches Verständnis, Teamwork und die Gabe, Menschen zu motivieren. Dazu brauchst du natürlich Talent. Nur wer schnelle Runden fährt, überzeugt. Michael hat wie ich gezeigt, dass er mit unterschiedlichen Teams und Motorenherstellern erfolgreich sein kann.

Hatte er so schwere Gegner wie Sie?
Zu meiner Zeit gab es mehr als nur zwei Topteams. Deshalb ist es logisch, dass ich mehr Gegner mit Siegchancen hatte.

Wer kann in Zukunft Michael Schumacher schlagen?
Ich rechne mit den beiden Williams-Piloten, vor allem Montoya. Ralf scheint mir nicht so hungrig zu sein wie sein Teamkollege.

Michael Schumacher hat relativ viele Unfälle. Passt das in das Bild?
Da muss man differenzieren. Für einen Unfall wie 1999 in Silverstone kann er nichts. Da ist etwas am Auto kaputtgegangen. Das kann jedem Fahrer passieren. Trotzdem fliegt er relativ häufig ab. Er fährt halt immer am Limit. Ich habe versucht, meistens etwas unter dem Limit zu fahren. Zu meiner Zeit was Rennfahren auch noch gefährlicher.

Wann macht sich ein Rennfahrer erste Gedanken über einen Rücktritt?
Das hängt davon ab, wie lange man erfolgreich ist und wie viel Druck man hat. Und dann noch, wie man mit Druck umgehen kann. Michael kann das offenbar sehr gut. Man merkt ihm an, dass er mit Spaß an der Sache ist. Außerdem läuft bei ihm alles nach Plan. Aber das kann sich schnell ändern. Siehe Mika Häkkinen. Eine schlechte Saison und starke Konkurrenz vom Teamkollegen reichen da schon aus.

Ihr Team kämpft um die Existenz. Warum tun Sie sich den Teamchef noch an?
Es ist nicht meine Art, einfach aufzugeben. Solange ich Licht am Ende des Tunnels sehe, kämpfe ich weiter. Ich kann leiden, wenn ich weiß, dass es sich auszahlen wird.

Wird es das?
Wenn man die Bedingungen analysiert, unter denen wir in diesem Jahr angetreten sind, dann muss man objektiv sagen, dass unser Team einen guten Job gemacht hat. Nach dem Jahr mit Peugeot mit 58 Motorschäden begannen wir bei null. Unser Budget war im Vergleich zu Jaguar oder Renault bescheiden. Für uns sind fünf verschiedene Piloten gefahren. Dabei weiß jeder, dass Erfolg nur mit Konstanz möglich ist. Der Unfall von Burti und der Abschied von Alesi haben Unruhe in das Team gebracht. Wir haben seit Juli nicht mehr getestet. Trotzdem konnten wir bei der Entwicklung des Autos mit den anderen Schritt halten. Trotz aller Schwierigkeiten sind wir ein paar Mal in die Punkte gefahren und hatten eines der zuverlässigsten Autos im Feld.

Ist Heinz-Harald Frentzen auch 2002 an Bord?
Ich bin happy mit ihm und er ist es mit uns. Der Vertrag für 2002 ist unterschriftsreif. Es liegt jetzt an uns, die Finanzierung zu sichern. Frentzen will wissen, wo die Reise hingeht.

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Das Interview führte auto motor und
sport-Redakteur Michael Schmidt



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