SPORT AUTO, 01.07.1989

Interview: sport auto sprach mit Formel 1-Spitzenreiter Alain Prost
"Ich habe keine Lust, wie ein Verrückter zu attackieren"



Alain Prost steckt in der schwierigsten Situation seiner Karriere. Der zweifache Weltmeister schwankt zwischen Aufhören und Weitermachen. sport auto sprach mit dem Franzosen.

Um die Person Alain Prost kursieren zur Zeit viele Gerüchte. Hört er auf, fährt er weiter, verläßt er McLaren? Wie sieht Ihre Zukunft wirklich aus?
Ich wollte mich eigentlich bis zum Grand Prix von Kanada entscheiden. Doch im Augenblick ist noch alles offen. In der Woche nach Montreal werde ich mit Ron Dennis reden. Vielleicht bin ich dann schlauer.

Nach Phoenix haben Sie immerhin die WM angeführt. Beeinflußt das Ihre Entscheidung in irgendeiner Weise?
Es hat mir nicht gefallen, wie die Saison für mich begonnen hat. Es gibt menschliche Probleme im Team und technische Schwierigkeiten an meinem Auto, die nicht immer erklärbar sind: die defekte Kupplung in Rio, die schwachen Motoren in Imola und Mexiko. Was mich aber am meisten abschreckt, ist die Atmosphäre in der Formel 1. Alles wird von Jahr zu Jahr unpersönlicher.

Können Sie das näher erklären?
Das Ambiente in der Formel 1 ist in den letzten Jahren degeneriert. Jeder arbeitet für sich, sondert sich ab. Daraus entsteht ein Zirkus aus lauter Einzelkämpfern, die nicht mehr miteinander reden. Ich kann mich nicht mehr mit Leuten von Ferrari oder Renault unterhalten, weil sonst gleich jeder sagt: Aha, der Prost verläßt McLaren. Ich finde diesen künstlich erzeugten Druck ziemlich lächerlich. Zum Glück gibt es für mich Dinge, die mich ein bißchen vom unpersönlichen Grand Prix-Alltag ablenken. Beim Golfspielen zum Beispiel kann ich die Formel 1 vergessen. Da empfinde ich noch Freude am Sport, das ist nicht nur tierischer Ernst..

Macht Ihnen die Formel 1 keinen Spaß mehr?
Die Formel 1 ist sportlich langweilig geworden. Der gesamte Wettbewerb konzentriert sich auf McLaren, auf das Duell zwischen Senna und mir. Durch diese Situation wird unheimlich viel Druck aufgebaut. Wenn man dann noch Probleme im Team hat, wie ich, beginnt die Sache keinen Spaß mehr zu machen. Und ein Beruf, der keinen Spaß macht, wird zum Problem. Dann hast du Schwierigkeiten, dich zu motivieren und fährst weniger aggressiv.

Ist ein Motivationsverlust nach zehn Jahren Formel 1 nicht eine normale Reaktion?
Es ist eine normale Reaktion. Was mich betrifft sind die zehn Jahre aber nicht der Hauptgrund dafür, daß es mir im Moment schwerfällt, mich zu motivieren. Wenn du in der Formel 1 am Anfang stehst und jung bist, dann sind Probleme wie ich sie gerade bei McLaren habe nicht weiter schlimm. Aber nach zehn Jahren in dem Geschäft sagst du dir: Ich will mir nicht den Kopf einrennen, wenn ich mit Leuten fahren muß, mit denen ich mich nicht verstehe, in einem Team, in dem ich mich nicht mehr hundertprozentig wohl fühle. Ich habe keine Lust, wie ein Verrückter zu attackieren, um das zu kompensieren. Nach zwei WM-Titeln und zehn Jahren Erfolg in der Formel 1 muß ich wirklich nichts mehr beweisen.

Können Sie sich nach 35 GP-Siegen noch über den 36. in Phoenix freuen?
Um ehrlich zu sein: Nein. Ich habe mich auf dem Siegerpodest in Phoenix gefragt: Was ist los mit dir? Warum empfindest du nicht mehr die gleiche Freude wie früher?

Braucht man um Ayrton Senna zu schlagen die gleiche Motivation wie er? Muß man 24 Stunden an die Formel 1 denken?
Senna hat eine völlig andere Einstellung zum Rennsport wie ich. Er denkt nur ans Rennfahren und ist bereit, dafür große Risiken einzugehen. Man kann Senna sicher auch schlagen, ohne die gleiche totale Bereitschaft zu zeigen wie er. Voraussetzung dafür ist aber, daß man gleich gutes technisches Material bekommt.

Ist das nicht der Fall?
Aus einem Grund, den ich nicht näher ausführen will, kann ich bei bestimmten Drehzahlen weniger Leistung nutzen als Senna. Außerdem brauche ich erheblich weniger Benzin. Es gibt aber keinen im Team, der mir diese Phänomene erklären kann. Möglicherweise ist der Honda-Motor optimal auf Sennas eigenartige Fahrweise abgestimmt. Er hält den Motor in den Kurven mit kurzen Gasstößen immer auf einer bestimmten Drehzahl. Vielleicht hat Honda einen Chip in der Motorelektronik, der genau in diesem Drehzahlbereich optimale Leistung liefert.

Es fällt auf, daß Sie oft den besseren Start haben, aber Senna in der ersten Kurve trotzdem in Führung liegt.
Senna liegt nicht in der ersten Kurve vorne, sondern schon immer am Ende der Geraden. Das ist ein feiner Unterschied. Ich muß sagen, daß ich das auch nicht verstehe.

Ist Senna beim Anbremsen von Kurven und beim Überholen von Konkurrenten kompromißloser als Sie?
Senna fährt nach der Devise: Alles oder nichts. Er hat einen unglaublichen Stolz. Niederlagen erträgt er nicht, das macht ihn fast wütend. Es ist aber nicht mein Stil, brutal zu fahren, nur um Senna zu schlagen..

Wo verlieren Sie die Sekunde im Training auf Senna?
Senna ist im Training schneller als ich. Da besteht kein Zweifel. Er ist aber nicht um diese Sekunde besser als ich, auch keine Frage. Es gibt meiner Ansicht nach zwei Gründe, warum ich im Training schlechter aussehe. Erstens habe ich auf bestimmten Rennstrecken Probleme, mit den Qualifikationsreifen schnell zu fahren. In Phoenix war das der Fall. Auf Strecken wie Paul Ricard kann ich mich besser auf die Qualifiers einstellen. Zweitens hat Senna die einmalige Fähigkeit, für eine einzige Runde alle Bedenken auszuschalten, absolut voll da zu sein. Er überholt in seinen Chaosrunden andere Autos, als wären die gar nicht da.

Wie ist ihr Verhältnis zu Ayrton Senna?
Seit Imola ist es gestört. Ich hoffe, daß sich das bis zum Saisonende wieder einrenkt. Er ist schon in Mexiko aus mich zugegangen, um über die Probleme zu reden. Aber solche Dinge wie in Imola, wo er eine private Abmachung zwischen uns gebrochen hat und später leugnen wollte, daß es eine solche Abmachung gegeben habe, sind schwer zu vergessen. In der Formel 1 nimmt man es mit der Wahrheit nicht immer ganz genau.

Belasten Sie die Spannungen im Team?
Das ist genau die Situation, die ich immer vermeiden wollte. Ich hoffe nur, daß sich solche Unstimmigkeiten nicht auf der Rennstrecke fortsetzen. Das wäre gefährlich.

Gibt es nicht automatisch Probleme, wenn zwei Top-Piloten in einem Team fahren?
Prinzipiell kann das gut gehen. Es hängt von den Charakteren der Fahrer ab. Aber wenn sich die beiden Fahrer gut verstehen, ist das nicht weiter tragisch. Ich habe 1984 gegen Lauda verloren und im letzten Jahr gegen Senna. Es hat trotzdem funktioniert. Zwei völlig gegensätzliche Typen wie Piquet und Mansell werden sicher nie gut zusammenarbeiten. Bei Senna und mir ist es schwierig, aber unter bestimmten Voraussetzungen möglich.

McLaren dominiert wieder die Formel 1. Ist das eine Gefahr für den Sport?
Das was wir heute erleben, ist nicht mehr die richtige Formel 1. Die gab es zum letzten Mal 1986, als McLaren-Porsche gegen Williams-Honda gefahren ist. Das wollen die Zuschauer sehen. Den Kampf der Automobilhersteller, Honda gegen Renault, Ferrari gegen Peugeot und nicht ein Duell zweier Teamkollegen.

Sehen Sie einen Ausweg aus dieser Situation?
Der Ausweg darf auf keinen Fall eine Handicap-Formel sein. McLaren-Honda kann nichts dafür, daß Sie besser sind als alle anderen. Ron Dennis hat in der Formel 1 Pionierdienste geleistet. McLaren-Honda ist ein Industriebetrieb, der gegen Handwerker antritt. Nur wenn sich die Gegner anpassen und genauso professionell arbeiten, wird die Formel 1 wieder spannend.

Macht Ihnen dann die Formel 1 wieder Spaß?
Unter bestimmten Voraussetzungen könnte ich mich wieder motivieren. Darüber will ich aber nicht reden, sonst müßte ich zuviel verraten.

Wann treffen Sie Ihre Entscheidung?
Ron Dennis drängt aus eine schnelle Entscheidung, um reinen Tisch zu haben. Ich glaube, daß ich noch vor dem Grand Prix von Frankreich weiß, wie meine Zukunft aussieht.



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