MOTORSPORT AKTUELL, 16.04.1986

Alain Prost im Gespräch mit Helmut Zwickl:
"Die Formel 1 ist ein Witz geworden!"


Der Verdacht kommt auf, dass der Weltmeister ausgerechnet jetzt zu schimpfen beginnt, wo Williams-Honda eine neue Form des Benzinsparens erfunden hat.

Als du in Rio mit Motorschaden ausgeschieden bist, warst du da mit dem Benzinverbrauch im Plus oder Minus?
Ich hätte nicht schneller fahren dürfen. Ich war mit dem Benzinverbrauch im Plus, etwa eine halbe Runde. Aber die Formel 1 ist ein Witz geworden.

Kannst du das naher erklären?
Schau, die Formel 1 ist ein komplettes Paket. Um Weltmeister zu werden, brauchst du ein sehr gutes Chassis, einen sehr guten Motor, einen sehr guten Reifen, einen sehr guten Fahrer, eine sehr gute Organisation und viel Geld. Kurzum: du brauchst das alles zusammen. Fehlt ein Faktor, wirst du nicht Weltmeister. Im Augenblick ist nur eines wichtig: ein sehr guter Motor mit einem entsprechend guten Spritverbrauch. Ein phantastisches Chassis, ein phantastischer Fahrer, die besten Reifen – das alles zahlt momentan nichts. Vielleicht im Training, aber nicht mehr im Rennen. Das ist doch ein Witz. So soll es nicht sein. Ich bin überzeugt, dass die Formel 1 bis 1985 recht gut war...

Du meinst, bis zur Reduktion des Tankvolumens auf 195 Liter?
Ja, genau. Ein so grossartiger Designer wie John Barnard kann machen und erfinden was er will am Chassis, das zahlt nicht mehr. Was nützt es, wenn wir da ein paar Zehntel finden, es nützt fürs Rennen überhaupt nichts. Wir wissen: Du kannst im Rennen nicht schneller fahren, als sagen wir – nur um eine Zeit zu nennen – l:31 min. Fährst du schneller, kommst du nicht ins Ziel. Der Sprit reicht nicht.

Formel-1-Fahren spielt sich also nur noch nach der Benzinuhr ab...
So ist es. Wie in Le Mans mit Richtzeiten, etwas schneller vielleicht. Es hangt von der Rennstrecke ab. Noch ist das keine Katastrophe, aber für die Zukunft müssen wir uns was einfallen lassen, ich denke da ans nächste Jahr. Heuer soll alles bleiben wie es ist, wir müssen uns an eine beschlossene Sache halten – bis zum Jahresende. Und wenn Honda Weltmeister wird, weil die einen phantastisch niedrigen Benzinverbrauch haben, so ist das technisch gesehen OK. Aber wir müssen an die Zukunft denken, an die Zuschauer, ans Fernsehen, an die Presse, an die Fahrer, wir brauchen spektakuläre Rennen. Wenn jedoch alle nicht mehr richtig glücklich sind, dann wird’s mit der Formel l bergab gehen. Aber dann ist es bereits zu spät ...

Als Lauda und Prost in den letzten zwei Jahren ihre Rennen aufgrund des sparsamsten Autos gewonnen haben, hat niemand von euch beiden gesagt, die Formel 1 sei ein Witz.
Nein, das ist nicht wahr. Niemand hatte doch ernstliche Probleme mit dem Spritverbrauch...

Diesem Einwand stimme ich nicht zu. 1985 gewann der Niki seine Rennen bisweilen vom 15. Startplatz. Er fuhr wie nichts durchs Feld, weil er mit einem höherem Ladedruck, sprich mehr Leistung fahren konnte als die anderen. Die Williams-Honda machen das heute doch auch nicht anders. Besonders 1985 waren eure Gegner vom Spritverbrauch her kastriert...
Wir hatten stets das bessere Gesamtpaket, deshalb haben wir so viel gewonnen, und nicht wegen des niedrigen Verbrauchs...

Mit anderen Worten, du glaubst, dass 220 Liter noch vertretbar waren, 195 Liter aber nicht mehr?
Es ist schon richtig – diese Reduktion des Tankinhalts war der einzige Weg, die Power-Eskalation zu stoppen. Jetzt aber müssen wir andere Lösungen suchen, denn das Spektakel leidet schon darunter, es wird immer schlechter. 195 Liter sind einfach zu wenig. Wir müssen den entgegengesetzten Weg gehen. Wir müssen Power reduzieren, durch verkleinerte Lufteinlässe oder durch Abblas-Ventile, was immer. Aber dafür müssen wir den Sprit-Konsum freistellen. Nehmen wir Rio: Als ich Senna überholte, liess er das kampflos geschehen. Er war gescheit genug, mich fahren zu lassen, er hatte einen anderen Fahrplan als ich. Weil er einen anderen Spritverbrauch hat. So und nicht anders werden heute im Rennen Positionswechsel herbeigeführt. Früher nannten wir so was Zweikampf....



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